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texte aus dem fake-fanzine (1997 - 2000) _______onomatopoetismen


fake #5 (sommer 97)

mixed

Es könnte ja soviel über Tabletten-Schachteln, rempelnde junge Männer und zwei Paraden berichtet werden, doch möchte ich Euch hier vom akustischen Teil einiger, natürlich subjektiv ausgewählten Tonträgerveröffentlichungen berichten. Da wären als erstes die zu meiner persönlichen Freude wiederauferstandenen The Verve (HUT) deren Bittersweet Symphony den Meistern des Driftpop wohl endlich kommerziellen Erfolg bescheren wird. History ist zwar das bessere Geigenstück, aber hier sind es wohl die platteren Weisheiten und die schönen, gesampleten Harmonien, die ans Herz aller gehen. Wir gönnen dem schönsten aller Sänger seine Rente und kaufen als echte Verveians alle Single-Versionen .

Das Einlegen des neuen Boredom-Kontrazeptivum von Spiritualized läßt heilsame Melodeien mit dem Gruß "Ladies and Gentlemen we are floating in space" (Dedicated) erklingen. Gewohnt wundersame/ -schöne,ausgefeilte(knapp überproduzierte (aber hier natürlich nicht so störend wie bei der neuen Tocotronic, bei denen schon der vergleichsweise Hauch an darübergelegter Produktion die ehemals geschätzte Spontanietät und den freundlichen Dilletantismus eliminierte, aber ich wünsche Ihnen trotzdem,daß sieso ganz viele Platten verkaufen. )) und dem Titel entsprechende Sounds füllen das Ohr und zeigen auch neues, wenn zum Beispiel alle Variationen des Gesangs nicht nacheinander, sondern kanon-artig simultan erklingen. [Schon wegn der Packung: koofn!]

Am Mittwoch vor der Parade waren Die Sterne angesagt, diesmal nicht in Ihrer gewohnten Funktion als Musikanten, sondern als, wie es zwar noch nur inTanzmusikerkreisen schon üblich ist, Plattenaufleger. Im Schleusenkrug unweit der strengriechenden Gehege des Zoo's (Bahnhof oder Garten...) baten Frank Spilker und Kumpanen zm Tanz und boten wahrlich alles Querbeet. Von altem 60er Rock'n Roll bis BigBeat Hits und Drum'n Bass auf 33 war alles vertreten. Auf der Terrasse spielten Tim und Spencer (Carrera-Club) 80er-Hits aus Jugend-tagen und obskurste Micky-Maus-Sterne-Remixe. Unterhaltsam war es allemal und viel wichtiger war es eh' "Popstars: privat" und gesehen zu werden.

Für die Einstimmung auf das "TanzEnde" noch einige Tanzmusike: Mein [und eigenartigerweise auch BassDee‘s (der dieser Wochen nicht mehr so statisch-düster wie früher auflegt)] Hit im Moment: Metalheadz 028 J. Majik mit Repertoire: Wunderschön wabernd, aber durch die absolut präsenten, nie eintönigen Beats und die Elfenstimme sowohl für die Ohrhörer, als auch für den Tanzabend. So etwas nenne ich innovativ! , unbeschreiblich, hört es Euch an !!! MHDZ 029, Sci-Clone, ist mit seinem sehr smoothen, jazzigen Sound etwas fürs Gemüt.

Labelkollege Grooverider hat sich den Hit des New Forms-Albums von Roni Size/Reprazent (Talkin' Loud) Share the Fall vorgenommen und besticht durch den Kontrast der glockenhellen Stimme Onallees und düstersten Darkstepsounds. Auf dem Album ist das alles etwas netter aber auch hier steckt viel Gutes in der Rille, und noch mehr in der Bit-Spur: sei es ein treibender MC Dynamite gleich als Intro, oder geniale ruhigere Momente (HotStuff, nur auf CD! ) mit viel AkustikBassklängen, die zwar Jazz-Assoziationen wecken aber Meilen weiter sind als die auf der Stelle tretenden Producer im Good Looking-Label Umfeld, deren Logical Progression 2 ein echtes Boring-moneymaking-Sequel a lá SPEED 2 ist.

Auch Berlin bietet mittlerweile einiges an Hör- und Tanzbarem an: z. B.: Die Elektronauten, deren selbstgebrannte CD's und bei Konzerten verschenkten Singles mit Ihren Bohrmaschinen und Barbarella Sisters in unsere Ohren und Beine schleichen und die älteren unter uns mit Ihrem Milky Way (von The Church) -Cover an alte late-80er Tage erinnern. oder b-scale (mamasan), schon auf einigen Compilationen vertreten, liefert hier angenehme, sehr filigran programmierte Tracks mit fast poppiger Melodie (tough guys) und (jekyll and hyde) Photekeskem. Diese Meister der vertrackten Sounds sind allen immer wieder zu empfehlen: PHOTEK (science/virgin). Demnächst erscheint ein ganzes Album ......man darf gespannt sein.

Last but not least: MOUSE ON MARS, diese wunderbaren Elektroniker würden, wären es Klänge, aus einem Transformer einen MonChiChi machen. So geschehen auf Ihrem, jetzt erscheinenden, neuen Album autoditacker (too pure): Es ist ihnen schon auf der 12" cache coeur naif gelungen, zusammen mit Laetitia Sadier (stereolab), eine wunderbare Brücke zwischen purem Pop und elektronischer Tanzmusik zu errichten. Auf dieser CD reflektieren Andi Toma und Jan St. Werner wohl Ihre Clubbesuche der letzten Monate: So muß es klingen wenn der Kleine Maulwurf eine Hardstep-Party am Sonntagvormittag gibt: Käptn Blaubär hört am liebsten Krautrock, Lars, der kleine Eisbär wippt mit, wenn die Maus zu eazy-D'nBass französich singt, die Ente und der blaue Elefant tanzen zu House, der kleine Mann mit dem Zylinder entspannt sich zu Easy Listening , Christoph rockt zu Ska und alle zusammen feiern zu Elektro, nur den Staubsauger habe ich diesmal noch nicht 'rausgehört.



fake #7 (06.1998)

UILAB - fires
Eine Stereolabplatte darf in diesem Druckwerk natürlich nie fehlen, auch wenn es so wie hier nur eine halbe ist, ist die Stimme auch hier die richtige, und die Zusammenarbeit hat sich wohl hauptsächlich auf eine Session in 1996 beschränkt und die CD wird nun mit unterschiedlichsten Versionen dieses Brian Eno-Songs (ja, der mit der Flugplatzmusik) gefüllt, die in der Zwischenzeit entstanden sind. Der Neueste ist spatio dynamics, im gleichnamigen Studio gmxd, der stark ange(h/m)oused mit Jangle-Gitarre nicht nur das Tanzbein überzeugt. Das Radio Intro erinnert an Enola Gay wird dann perfekter Pop und endet in schönsten Session-Krach. Red Corona ist sogar so wunderbar reduziert, daß es wie ein Dub-Stück klingt, und der Mix von Ui ergänzt den Song um einen plucker-Anfang und quakigen analogem Filtersounds. Die beiden anderen Songs mit ihren schmeichelnden Bassmelodien/läufen alá to rococo rot werden zum Teil noch veredelt von der Stimme Stereolabs. Dies kleine Werk reiht sich so nahtlos in die immer integrativen Werke des Stereolabumfelds ein, und zeigen wieder ihre Treffsicherheit in der Stilwahl.

JESUS AND MARY CHAIN - Munki
Wenn ich verrate, wann ich mir die erste JAMC 12" gekauft habe, dann liest eh keiner mehr weiter, denn so ein alter Sack hat doch eh keine Checkung mehr, und so in der Art kommt mir Munki auch vor: wo ist unsere Jugend geblieben School ist cool oder so ähnlich So kann nur einer denken deren Schulzeit mindestens vorbei ist. Als NeverUnderstand '85 rauskam war es die legendäre Monika Dietl, die es mir damals zum erstenmal zu Gehör brachte, lange Zeit bevor sie in den Techno Keller ging und dann ganz abschweifte (San Franzisco ?). Damals dachte ich erst, es wäre ein alter End-60's Song, wohl so aus dem Stooges-Dunstkreis. Aber als ich sie dann hatte war es der geniale Freunde-Filter, die Falschen hörten nur Rauschen...., und dann '91 war dieses Rauschen, auch dank der anderen Glasgower Band My Bloody Valentine, Party-Mucke geworden. Heute sind die Hochzeiten des Feedbacks und der Distortion und lange noch nicht vorbei, auch eine Bassline hat verzerrt ihren Reiz, doch die Musik der JMC ist immer noch so wie sie früher sein sollte, die Reid bros. hören sich immer an als hätten sie eigentlich keine Lust, aber damit man die Lieder ausenanderhalten kann brauchts ein wenig Text, und wenn es adoleskenter Weltschmerz ist, der zum Ausdruck gebracht wird dann ist das immer mal gut, um seine erste Midlife-Crisis mit 17 durchzumachen. Und oft genug äußern sie fundamentale Erkenntnisse wie : I love rocknroll, it gets me anywhere, don't mean anything.

MILES - My Friend Boo / Pretty Day 7"(Spool)
Oh mann, ich habe viel zu lange die Gitarrenbands vernachlässigt, wenn ich mehr solche Singles verpaßt habe, dann ist das nicht mehr zu entschuldigen. Ich dachte immer, die Gitarren wiederholen eh' immer nur die drei Akkorde, daß nach Bands wie mbv und swervedriver (um willkürliche, aber bei dieser Single wieder in Erinnerung kommende) dem Guten nichts mehr hinzugefügt werden würde. Wird auch nicht. Doch wie oft haben wir uns schon das Gesicht an einem heißen Tag mit kalten Wasser gewaschen ? Ist es heute weniger angenehm ? Nein, es erfrischt uns jedesmal aufs neue, und genau so ist auch der grandiose, leider vielzu kurzen Track MY FRIEND BOO (was würde ich heute für einen Automatikplattenspieler geben) "Firework is on your mind". Die Flip ist etwas amerikanischer, im Refrain grooviger, aber nicht minder gut mit ebenso tollen kräftigen glücklichen Mollakkorden.



fake #8 (1999)

basswerk sessions vol.1 (basswerk rec)

mal wieder colonia-elektronica, diesmal die db.posse mit basztart, greenman und anderen in verschiedenen kombinationen. dieser sammler startet mit dem coolen underground funker, um dann mit cheetah & basztarts thanksgiving (ist ja grad (d e r hit im wmf)) mal einen super hackschwingenden track, in dem die fläche den swing liefert, zu präsentieren. der track knowledge der beiden hat tolle basssounds mit super zirpenden piepsern am anderen ende des hörspektrums und swingt ebenso angenehm, wie auch die spuren von acoustinetics, greenman oder kingpress. eigentümlich passend zum frühstückstischdeckenkaro des covers sind die tracks, trotz der vordergründig stetigen, coolen beats meist mit warmen sounds oder samples aus nett obskuren jazzecken ausgefüllt und mit schwingendem perkussiven patterns verziert. das scheint sich ja irgendwie als german_db_sound herauszukristallisieren, aus berlin hört man ja ähnliches von n-dee oder view to the future.

moving shadow 98.1 mix by rob playford

mit harfenklängen der sanftesten art beginnend, über die sommerhits 98 (e-z rollers over the top, oder flytronix contemporary acoustic jam) bis zu edge-igeren tracks am ende (technical itch) liefert diese low- price-mix-cd den movingshadow/audio couture soundtrack dieses sommers für lange autofahrten in den ökologisch verachtenswerten schneesport.

barcode (case invaders/elektromotor)polygram

Mix : bassdee. artists : berlin köln hamburg. supercoole, abgedrehte worte zu den tracks. der perfekte mix. "feature dich selbst wie die hölle". warme sounds der großenstädte. Tablasounds und girlvoices bilden den Rahmen für den angesagten, im Vergleich zum guten alten jungle, technoiden dnb-Sound. Die Trax werden zwar im letzten Drittel atonaler und komplexer, bleiben in der Summe doch MixCDtypisch weicher und gefälliger als ein typischer WMFabend. lr 

 

miles - the day i vanished

Klassischer anglo/amerikanischer Gitarren(indie)pop auf der Suche nach dem perfekten Popsong wird hier kombiniert mit atmosphärischen Melodien. Die Verehrung für die Boo Radleys scheint oft nicht überhörbar, hohe Männer- oder Vocoderstimmen, Astronauten-Balladen, wunderschöne Schrammel Popsongs, und alle möglichen Gimmicks mittels und ohne Gitarrenelektrik treffen hier auf fast Rockiges mit Harmonigesang alá Teenage Fanclub. Doch sind hier keineswegs Kopisten am Werk, deren Plagiate die Vorbilder beleidigen, nein, die Musik von miles verlangt mit ihrer hörbaren Spielfreude nach Einsatz in den einschlägigen Popdiskos. Dies als Empfehlung an alle indiepopdjs.

 

stereolab - aluminium tunes (switched on vol.3) (warp)

Diese Doppel-CD enthält, wie der Titel schon sagt, dem Fan schon einiges Bekanntes, denn 'switched on' lauten ja seit je her die Titel der Compilationen mit seltenen und nicht auf regulären LP's erschienenen Stücken. Auch hier spiegelt sich wieder das populärmusikalische Universum im stereophonischen Kaleidoskop dieser sich live viel zu rar machenden Wohllautschaffenden. In diesem akustischen Kosmos sind Kraftwerkelektro mit hypnotisierenden Dronesounds, Wassergeplätscher aus dem moog mit Geigensphären und dies mit zuckersüßen Popgesängen (the incredible he woman!) über sonische Wurmlöcher verbunden. Fast vollständig kommen die Tracks der bisher nur als 10" erschienenden 'Amourphous Body Study Center' zu Gehör.(Die dazugehörigen Skulpturen von Charles Long sind derzeit im Ludwig/Köln zu bewundern). Ebenfalls dabei ist One Note Samba/Surfboard, der Track den stereolab (französisch zu betonen) zum Red Hot + Rio Sammler (dessen Pendant NOVA BOSSA: Red Hot on Verve mit den 60/70er BossaNova Originalen immer noch wunderbar ist.) beisteuerten, und mit dem endlich die naheliegende Fusion von 90er SpacePop mit den Brasilsounds eines Antonio Carlos Jobim vollzogen wurde. Hat man nicht schon seine Finanzen mit dem Erwerb aller jemals irgendwo erschienenen VÖ's strapaziert, so ist diese schöne (Buchbinderleinencover), wenn auch nicht absolut vollständige, Zusammenstellung für den Anhänger der stereophonischen Laboranten doch eine Oase auf dem Weg zum nächsten neuen Album, obwohl schon jetzt der Stoff für die einsame Insel ausreichen würde.

Klassiker:

Drop Nineteens - Delaware (caroline)

Anno 92/93 wars, die Indipopdisco war am Anfang ihres Niedergangs, aber es gab noch etliche Lichtblicke und einer der strahlendsten war diese CD der Amerikaner, mir ist es damals zur Zeit der fast ausschließlichen Konzentration auf die Insel (BritPOP gabs damals noch nicht) nie bewußt geworden, Drop Nineteens. Hier ist in zauberhafter Weise vereint, was eigentlich nicht nur ein Hit in privatem Kreise hätte werden sollen. Zarte LowFi Balladen (my aquarium, mir hat die LP-Version immer besser gefallen, nur mit der dicken e-Saite...), träumende Fuzzgitarren von rockig bis flächenhaft entrückt (ease it halen), endlose, nie enden sollende, Drummachinegedichte (kick the tragedy), das beste mir bekannte Madonna-Cover (angel) und manchmal einfach schöner Gitarrenkrach verzaubern nicht nur den der damals einen ganz bestimmten angel im Sinne hatte.

cleaners from venus - A collection of popsongs (modell rec.)

Als buchstabierende Computerstimmen noch der letzte Schrei waren entstand dieses, vielleicht eines der ersten, LowFi- Album im Schlafzimmer von Martin Newell mit billigsten Instrumenten (z.B. 20Pfund Guitarre, home-made bass). Der Klappentext ist eindeutig gegen die Major- Plattenfirmen gerichtet (indie-movement starts then...), und enthält den Aufruf, dieses Album zu tapen, wenn man es sich nicht leisten kann. Die Songs erzählen Geschichten von Mondhunden und natürlich small town sommern, in denen man sich in die icemachine verliebt. Die Gitarre klingt natürlich viel zu blechern und manchmal lief die Bandmaschine wohl noch weiter wenn kichernde Freunde die Aufnahmesessions störten. Aber die Melodien sind nicht immer so spröde wie es 84/85 oft üblich war, und manchmal berückt sogar ein 'klangspiel' den in die Vergangenheit gerichteten Hörer.


fake #10 (herbst.1999)

Mouse On Mars - Niun Niggung (sonig)

Nun, so kompliziert wie in der kostenpflichtigen Werbeschrift für einen einschlägigen Freitagsclub geschildert, ist es nicht. Die letzten beiden Singles erweckten zwar den Eindruck MOM würden nicht mehr aus einzelnen Klängen und Fragmenten Angebote zur Melodiesynthese herstellen, die dann im Kopf den Hörers zu persönlichen Klangwelten wurden, sondern eher diese Melodien schon im Studio erschaffen, um sie dann aber noch vor dem Bannen auf Tonträger zu analysieren, aufzuspalten, um dem Hörer die neuerliche Synthese zu ermöglichen. Leider hat man oft bei der zweiten Synthese nur grobe Fragmente zur Verfügung, die wie eine Hologrammscherbe schnell den akustischen Blick auf das Ganze ermöglichen, und die Sprünge von einer Scherbe zur anderen sind mühsam und bieten keine neuen Ansichten. Aber auf der CD ist wieder der Mars in Ordnung, denn hier finden sich wieder ausreichend verteilte Informationen, die der Rezipient im Laufe einer - oder besser wiederholter - Hörerfahrungen selbst mit Hilfe seines eigenen internen Klängspeichers (memory = Gedächtnis) kombinieren kann und muß um einen befriedigenden Hörgenuß zu erlangen. Auch sind wieder eine Reihe von Genres zitiert: von Kinderlied bis dnb, aber das liegt natürlich wieder im individuellen akustischen Erfahrungshorizont des Rezipienten. Und sind mal die Scherben scheinbar zu groß, so finden sich bei intensiverer Analyse der akustischen Informationen noch genug Kleinstfragmente, die den Hörer in die Lage versetzen alle Teile einem Ganzen (Neuem?) zuzuordnen. Kann man sich alles guthören ?!


Stereolab - Cobra And Phases Group Play Voltage In The Milky Night (Elektra)
Stereolab - The Underground Is Coming (Toursingle)(UHF)

Erschienen mir die früheren Alben der besten Band der Welt immer wie ein Aquarell, das vor meinen Ohren aus den einzelnen Pinselstrichen der Musikanten entstand und in dem Moment der Vollendung von einem sanften Sommerregen oder einem heftigen Gewitter zu etwas Neuem wurde und wieder in den Fluß der Möglichkeiten floss und immer wieder neu entstand, so erscheint Cobra... wie ein photomosaic in dem allerdings jedes Einzelbild wieder aus Bildern zusammengestzt ist. Die Bilder zeigen alle bekannte Motive sind aber erst zu erkennen wenn man einige Schritte zurücktritt oder die Einzelbilder mit der Lupe betrachtet. Nach den deutlichen Einflüssen von fremden Produzenten auf den vorherigen Alben Tomato... und Dots... sind hier wieder etwas purere Stereolab zu hören, die aber die Einflüsse der letzten Jahre nicht völlig wieder abgelegt haben. Die Bläser sind häufig wie nie und man hat sie bei den Konzerten fast vermisst. fast. Denn die verhaltene Präsenz der Band auf der Bühne beginnt langsam einer lockeren Routine zu weichen, auch während des Konzertverlaufs. So dass von angespannter Konzentration über konzentrierter Performance, wenn auch Laetitia ca. zwei Saiten auf der Gitarre bespielt, und so die Band gemeinsam einen Klangraum schafft (Blue Milk), bis zu Rumgealbere bei dem das Publikum von den Damen darauf aufmerksam gemacht wird, dass Tim beim Farfisaspiel komisch aussähe.(was auch stimmt).Die schon zur Tradition gewordenen Toursingles werden zwar nicht mehr im Kartoffeldruck hergestellt, aber musikalische Resteverwertung ist es keinesfalls, ich wünsche mir The Super-It in jeder Popdisko!!!



BREAKBEAT ERA (XL)

Nach dem gleichnamigen, unvergänglichen Klassiker von Breakbeat Era ließ Rancid Rinse mit seinem mächtigen badummdumm dumdumdum und dem unkonventionellem Schlag auf Bedeutendes hoffen, aber schon die Urversion Rancid ließ für die LP fürchten, dass instrumental eingespielt klingende Musik eines dnb-Produzententeams gemessen an der dnb Messlatte nicht die lange Distanz eines Albums oder Konzerts durchhalten kann. Der Our Disease rmx läßt aber auf eine Reihe von konstant hochwertigen Remixen der Albumtrax hoffen.


Klassiker:

BLUR - Modern Life Is Rubbish (food)

Gibt es wirklich so etwas wie Klassiker ? Platten die man vor zehn Jahren gehört hat und heute immer noch regelmäßig ab und an hört ? Oder will man nur die, die die Platte damals verpasst haben dazu bekehren, oder hat man sie selber erst vor kurzem entdeckt, weil sie bei Freund/in im Regal lag und man die Single ja kannte und mal hören wollte, ob noch ein gutes Lied drauf ist? Und dann findet man sie,immer auf der suche nach neuem musikalischer Nahrung, die neuen/alten Tracks und schon sind es in der eigenen Biographie Tracks von x Jahre nach der Veröffentlichung.
Verglichen mit der 13 hat sich eigentlich nicht viel getan: Rockige Popsongs (Chemical World), zarte Oden an London, Jeans, Docs und "you" (Blue Jeans) und schön ebenmäßige geflüsterte Drifter (Miss America) und purer BlurPop (For Tomorrow).


fake #12 (2000)

stereolab & brigitte fontaine, monade - (Duophonic)

Auf der, laut Covergestaltung, Split-Single geben Stereolab & Brigitte Fontaine, caliméro zum Besten, das wie free design oder rainbo conversation mit dem typischen StL-Bass becirct, aber durch die neue ziemlich spröde Stimme eine für die Biauralen neue, depressive Note erhält, die auch, im Gegensatz zum Background Chor (wohl Mary und Seaya), die o´Haganschen Brass-Additionen nicht aufhellen vermag. Der Track von monade, hinter der sich niemand anderes als Mdme. Sadier verbirgt (with Mary and Tim´s kind assistance), cache cache ist eine kl/feine Orgel/Gesangsübung, die auch nicht so recht vor Lebensfreude sprüht, das metronomisierte Gitarren/Bass Outro machts dann noch bluer.



stereolab - The First of The Microbe Hunters - (Duophonic)

Wie gerne würde ich jetzt wie gewohnt zu Lobeshymnen aufsteigen, die euch die Freuden der Musik der Stereophonischen Laboranten vermitteln und euch sofort in den Plattenladen treiben. Jedoch ist es dieser Platte nicht gelungen meine Begeisterung wieder auflodern zu lassen, jedoch immernoch die Erinnerung an diese aufleben zu lassen.
Die sieben Tracks wurden zwar lt. linernotes im Januar 2000 aufgenommen, vermitteln auch das gewohnte angenehm lockere, durch ein paar (doppeldeutig) Filtergeräusche unterbrochene Stereolabgefühl, sind musikalisch jedoch leider nur ein paar Bonustracks zur letzten regulären LP auf Elektra. (Wie auch schon das Layout des Covers suggeriert.) Natürlich sind unter den Tracks allemal schöne janglejams (outer bongolia), intervals ist ein absichtlich verhinderter Hit, da erst die letzten 2 Minuten leicht vor sich hin swingen, aber auch ein Diskotauglicher üperleischter Sommerparkblauerhimmeltrack Hit ala MissModular ist drauf: Household names. Der letzte Track Retrograde Mirror Form funktioniert sogar als Cliffhanger, denn er zeigt im zweiten Akt deutlich wie sich die typischen warmen "braunen" Gittarren/Orgelsounds verändern, sie werden runder schöner angenehmer (aber nicht glatter) und kombiniert im dritten Akt die sympathischsten Mouse On Marsigen Klingklangs mit einer, momentan wohl unvermeintlichen countryesken Gitarre und lässt uns so auf interessante neue Produkte aus diesem Hause hoffen.


belle + sebastian (jeepster)

LEGAL MAN
ist eigentlich DER Sommerhit "get out of the city, into the sunshine" aber es ist soo gut, das es das ganze Jahr gut ist,und it seinen sehr 60s klingenden obskur Gitarren und dem amiga Kinderchor auch grundlos gute Laune macht. Ebenfalls wunderbar sind bei B&S ja auch immer die Texte im Booklet, diesmal ein wunderbarer Liebesbrief. Die "Side B" hat erst eine Titelmelodie einer fiktiver Fernsehserie aus den späten 70ern, die mit einer 1minütigen Klavierskizze ausklingt. Winter Wooskie hat dan wieder die spezielle Qualität, die ich sonst bei B&S schätze: die Lieder sind "happy", wenn man ne Verabredung hat und "sad", wenn se abgesagt hat. (credits to Fr. Heise)

FOLD YOUR HANDS CHILD, YOU WALK LIKE A PEASANT
Beginnt gleich mit zuckersüßer Rokkokopop, bei The Model sogar mit Spinett und bleibt auch naturgemäß ruhiger als die Single, und diesmal auch mit einer tieferen Männerstimme bei Beyond the sunrise, das trotz oder wegen Rückwärtsgitarre und Streichern doch ein wenig an alte Lee Hazelwood Zeiten erinnert. Den anscheinend unvermeintlichen Westerneinschlag enthält The wrong Girl, sogar die Bläser klingen wie mexikanische Trompeter. Und das Schönste an B&S ist doch, dass sie einem immer das Gefühl geben wie in dem Clapclapschwinger Woman´s Realm: "...singing songs to myself, is nobody else around..." höchstens der Hörer, der unbemerkt diesen bemerkenswerten, trotz Bläsern und Geigen immer intim bleibenden Liedchen lauscht.

LAMBCHOP - NIXON (city slang)

Die Stimme kann an Tindersticks erinnern, ähnlich zittrig, verhalten, 'unmännlich' die Musik jedoch schwankt zwischen zarten geigenbegleiteten Balladen und gitarrigen Endlosschwingern wie von Belle and Sebastian, womit wir bei der, diese Platte doch weit überragenden, Single UP WITH PEOPLE wären. Und zwischendrin merkt man immer, dass diese Platte in Nashville aufgenommen wurde, da ist sie wieder: die Hoffähigwerdung des Country. Aber wenns sich so anhört bin einmal mehr einverstanden damit.

miles - miles (V2)

Die elektrischen Frickeleien sind bei Miles eindeutig der Suche nach dem perfekten Popsong zum Opfer gefallen, zwischendurch mal ein frischer poprocker wie My friend Boo, ein neuer: sonic 3000 und ein alter: baboon.
Der Disko-Knaller (um-tschak-um-tschak) Perfect World hat anfangs ein wenig durch die ungelenken Streicher irritiert aber irgendwann meint man es muß so sein und House-Klavier kann ja nie wirklich schaden und so ist es natürlich sehr nett. Allgemein sind Streichersounds und Orgel wichtiger geworden als die Rockgitarren, was live ein etwas zerrissenes Klangbild abgibt, wenn nach My friend boo dann Perfect World folgt. Auf Platte ist dieser Gegensatz nur als nette Abwechslungsreichigkeit zu bemerken. Building up a "Connaissance" ist sogar ein überlanges fast episches Rockstück mit mehreren Akten. So haben Miles ein vielfältiges, oder unentschlossenes, Werk vorgelegt, bei dem einige Male bereits mehr als die Hälfte des Weges der obigen Suche zurückgelegt worden sind.

CONTRIVA - tell me when (monika)

Die superschön entspannten Berliner schlendern sich hier in die Herzen der (noch) nicht (mehr) verliebten Megapoloten (Großstadtbewohner), um dann doch noch schnell die S-Bahn zum Bahnhof der Zusammenkunft zu nehmen, und das Schöne ist, die Musik erlaubt sowohl zukünftige, verpaßte, als auch zurückliegende. Und bevor es zu instrumental bleibt setzt auch noch "netter"(noch schleifen !!!) Gesang ein um dann rechtzeitig wieder zu verstummen. und den Assoziationen des Hörers wieder freisten Lauf zu lassen.

Ashcroft, Richard - LP und Singles

Nachdem der Sommeranfang auch fast gleichzeitig sein Ende war, ist exakt zu diesem Zeitpunkt, die schon seit der ersten Vorführung der Single im Radio im März sehnsüchtig erwartete erste Solo LP des Richard Aschcroft, erschienen. Die Single war zuerst natürlich nicht so unendlich begeisternd, der Beat zu sehr im Vordergrund, der Anschlußerfolg an Bittersweet Symphony zu gewollt, jedoch sollte hiermit der Triumphzug eines Gottes angekündigt werden. Die sich überschneidenden Vocalspuren, wie in den frühesten besten Vervezeiten, die fetten Streicher, dies alles setzte sich zusammen zu einem kongenialen Stimmungsbild der nervösen trägen Wartezeit vor einem Date. Und als man die Single endlose Zeiten später in den Händen hielt bestätigte sich die Hoffnung dergestalt, dass (Could Be) A Country Thing (da isses wieder: Country), City Thing, Blues Thing einer der besten Verve Tracks gewesen wäre. Dieses narrative Stück mit dem Vocoderrefrain und der Slidegitarre und dem Höhepunkt "...watch the sun set..." ist bis heute der beste Ashcroft-Song. Die zweite Single Money to Burn gab dann endgültig die Richtung für die LP vor: diesmal eher Blues als Westerngitarre, aber dafür ein eher rockendes Stück mit eindeutiger Freude über den kommerziellen Erfolg. Und dann die LP: Eher ein kleines Übergewicht zugunsten der ruhigeren Songs (damit sein Spross im Nebenzimmer nicht aufwacht), aber natürlich zur Auflockerung und als Singlefutter auch genug tanzbare Lieder, wie New York, Money to Burn, oder das grundlos Selbstüberschätzungsanfälle produzierende C'mon People (We're Making It Now).

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