Der Vorfilm war leider ein (nicht allzu) alter Bekannter: Die Oma mit ihrem wegrollenden Auto. Naja, ein wenig charmant ist er ja. (siehe Willenbrock)

Somersault (09.05.05)

In diesem 'Purzelbaum' wird zwar wieder einmal das Lolita-Thema behandelt, jedoch hier mal nicht aus der üblichen semireflektiven Perspektive der zumindest (nee, 'selbst-' schreib ich jetzt nicht, schon wegen der nexten Klammer) kritisch zu (jedoch sich wohl auch als Opfer) sehenden älteren Männer, sondern aus der Sicht einer solchen 'Kindfrau'. Und so werden, zwar nicht immer (für einen Mann?), voll nachvollziehbar, die Spannungen in einer solchen (er)wachsenden sehr gekonnt illustriert. Ist ihr vorauseilender Körper schon mit reproduktions(vorbereitenden) Bedürfnissen beschäftigt (die Folgenverhinderung wird hier angenehmerweise als selbstverständlich vorausgesetzt und ausgeklammert), so kehrt die Psyche noch oft zu Abzählreimen und kindlichem Spiel zurück und kennt die emotionale Nähe bisher wohl nur zur Mutter. Dies führt nicht nur für die Betroffene zu inneren Problemen, sondern auch zum Bruch mit der Mutter. Spätestens da beginnt sie ihre wohl bereits etablierte leichtfertige zweckgebundene Vergabe des eigenen Leibes, zunächst noch ungerichtet, bald aus den äußeren Zwängen heraus gezielt zu instrumentalisieren. Doch führen die Erfahrungen im Laufe des Filmes zu einer Tendenz zur Verringerung ihrer internen Divergenz. Denn sie erfährt, dass ein zu unkanalisierter Einsatz ihrer scheinbaren körperlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten, ihre Bemühungen um soziale Integration unterminieren.
Einer weiblichen Regisseurin ist es wohl schwer anzulasten, dass die gezeigte Nacktheit hier oft etwas unnötig scheint (zumindest aus nonkommerziellen Gründen). Denn diese bedient das Lolita-Klischee, und eine reflektierte Sicht wird einem Teil der Zuschauer womöglich erschwert. Doch die endliche Ausgewogenheit des mit seiner Vielzahl von Aspekten, allerdings sehr, ambitionierten Drehbuches ist allein angesichts dieser Fülle deutlich anzuerkennen. Sei es das Ödipathema im den 'Salto' erst auslösenden Konflikt, der für den Wunsch nach einer gefühllosen Welt stehende unempathische Bruder der Tankstellenkollegin, die sexuellen Desorientierungen einiger Figuren, oder Männer, die sich vor bewusst eingesetzter Sexualität fürchten, wobei sie ja nur ihre eigenen Instinkte und verdrängten Wünsche fürchten.
Schließlich erkennt die Protagonistin, dass es zwar vordergründig nur die Moral ist, die sie Miss-achtet, damit jedoch auch die Empfindungen ihres Umfelds, und da sie erkennt, dass dieser Halt das Fundament der Existenz ist, wird sie wohl zukünftig nicht allzu leichtfertig mit sich umgehen, um dieses Fundament, das mit der Mutter im Rohbau ja vorhanden, sinnvoll zu vervollkommnen.

lr

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