Der Vorfilm war zwar seines unmittelbaren Eindrucks etwas gemindert, doch amüsierte hier, eigentlich passender zu 'Berlin Express', nicht nur die (Bahn-)Fahrt ins Polnische, sondern auch mehrfach ins Jenseitige. Auch wenn mE Todesfälle ja eigentlich keine adäquaten Humorträger sein sollten, so erinnert der der lieben Oma dann bald an 'Immer Ärger mit Bernie', denn hier muss die eigentlich schon Tote über die Grenze zum verstorbenen Opa gebracht werden. Und ein unsympathischer, aber leidender Mitfahrer mit schwerem Koffer fühlt sich unverschuldet dafür verantwortlich, muss aber aufgrund seiner Vertuschungsversuche selbst auch dran glauben. Dessen schlechtes Gewissen führt zu der Annahme, dass sich womöglich bereits vor der Oma eine andere Leiche in seinem Koffer befunden haben muss.

Kinsey (07.03.2005)

Dieses 'Biopic' hat zwar den ersten populären empirischen Erforscher des einen Urtriebs(gibt's noch einen anderen?) zum Thema, bleibt aber leider die eigentliche Erklärung, wie man vom Galwespensammeln zur Erforschung der Sexualmechaniken eines ganzen Landes kommt, schuldig. Auch wenn hier das Insektenarchivieren und das Sammeln von Verhaltensdaten parallelisiert werden. Und so werden die mehr oder weniger dramatischen Stationen in Fernsehspielmanier gezeigt und zwischendurch noch nötig befunden, heute eher komisch denn informativ wirkend, Aufklärung zu betreiben. Denn die Behauptungen, dass einige Variationen, die nicht unmittelbar der Zeugung dienen, gesundheitsschädlich seien, waren wohl eher puritanische, aber wohl auch erfolgreiche, Versuche den Spaß im Diesseits zu verringern, um die Vorfreude auf ein Jenseits zu erhöhen, oder schlicht die Privilegien einer herrschenden Kaste vorzubehalten. Die Schauspieler wirken meist zu alt oder zu jung, und so wirken jugendliche Ausbrüche oder die Gebrechlichkeit im Alter trotz, oder wegen, der Masken meist nur behauptet. So bleibt eine Identifikation in weiter Ferne. (Hätte eine andere gelungenere und packendere Biografie nicht so viele Oscars bekommen, könnte man auf diese verweisen.) Werden dann sinnlose Minuten mit Animationen auf der Landkarte gefüllt, um die eigentliche Erhebungstätigkeit zu symbolisieren, wirkt der Regisseur völlig überfordert, obwohl die Idee, den Film in ein fiktives Interview mit dem Initiator einzubetten, die Würdigung der eigentlichen Sammelarbeit, die ja fast mehr Fingerspitzengefühl benötigt als die Sammlung kleinster Insekten, ermöglicht. Und beide Hauptwerke der Titelfigur wohl auch das gewisse Maß an manischer Akribie erfordern. Leider erscheinen alle vermittelten Tatsachen heute selbstverständlich, und wenn, dann auf den Grund der Praxis gegangen werden soll, bleibt es bei Plattitüden: 'Liebe sei nicht messbar', ach?! nur damals, als noch keine detaillierten Hormonspiegelmessungen möglich waren vielleicht, heute jedoch kann alles gemessen werden. Doch ist auch dieses den Kinseyumfragen hinzugefügte Wissen ja noch lange kein Indiz für ein besseres Vers tändnis und somit Nachvollziehbarkeit dieser individualinternen integrierten Zustandsinterpretation 'Gefühl'.

lr

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