Der Vorfilm war der Versuch einem Beziehungsende einen komödiantischen Aspekt abzuringen. Die Verlassende verlässt mit einigen Habseligkeiten, darunter ein Goldfischglas, das, so wie sie es trägt, schon beim ersten Anblick die Assoziation seines zerplatzendes Ende suggeriert, zumal sie beide arme vollgepackt und mit ihren Stöckelschuhen mehr als unsicher den Trottoir entlang huscht, noch einige Verfluchungen an den Zurückgelassenen murmelnd, bei der Überquerung des Boulevards geschieht es dann. Das runde Glas entgleitet der mehr oder weniger galanten Dame samt des Goldfisches Kiki. Ihr Klagen ob des noch springenden Fisches setzt ein, jedoch ebenso ihre Überlegungen zu einer Rettungsstrategie. Der Anblick einer Apotheke lässt sie darauf zu spurten, den Fisch in den hohlen Händen haltend. Erst muss die Schlange der wartenden von dem Notfall überzeugt werden, und die lautstarke Forderung nach einem Präservativ gemahnt an die wohl bekannteste Kondompropaganda der Bundesdeutschen AIDS-Aufklärung. Dieser, mit Wasser gefüllt, ist dann erst einmal das neue Heim des weiter durch die Stadt getragenen Fisches. Eine Deutung war nicht zu ahnen.

Die fetten Jahre sind vorbei (01.11.2004)

Nach der Rückkehr von diversen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, Schlaghosen der 70er, Psychobluesrock der 60er, und vielem anderen nicht Vermisstem, will nun wohl auch der dialektisch politische Film sich und das Publikum aus dem TVtranquilierten Koma erwecken. Beginnt dieser auch erst wie ein P(op/berg)sightseeing des zeitgenössischen Jugendtraums aller Nichtberliner (anstatt, wie meist, die Originallokationen möglichst zu kaschieren): Man wohnt über dem kauf-dich-glücklich, sieht im Bastard nach den Mädels, steht auf dem ehemaligen Heim der Blinkenlights, fährt auch mal durch Kreuzberg, allerdings 63, und verabschiedet sich trennungslos vor dem Osswald. Und zuerst wird, in oft in etwas schwer nachvollziehbaren Schnörkeln, sich auch mal mit Nahverkehrskontrolleuren (vgl. das komplementäre Wertesystem des Mux) angelegt, um dann im eigentlichen Zielgebiet Zehlendorf Wohlhabende der Vergänglichkeit ihrer Güter zu erinnern. Als dann dieses erst nur jugendlich-idealistisch-leichtsinnige Tun in einer Entführung mündet, scheint man einem üblichen das-verbotene-wird-immer-schlimmer Zeigefingerfilm mit voraussehbarer Konsequenz zu folgen. Da wirken die doch sehr jungdarstellenden Protagonisten, nicht zufällig, wie schon im Weißen Rauschen, ungeführt bis hilflos, wenn es dann zu dem zentralen Chaos kommt. Doch wenn das Quartett in die Alpen fährt und isoliert vom Moloch die Thesen gegenüberstellt werden, ist der Versuch der Aufklärung schon sehr plakativ. Dialektisch wird hier das alte Problem der Kritik und der Anpassung am System ausgebreitet und die Argumente für das System, repräsentiert durch den Entführten, werden nicht vernachlässigbarer, wenn sich herausstellt, dass sich auch dieser in seiner Jugend als Gegner des Systems sah, doch die getroffenen Arrangements ihn dies vergessen ließen. Das Ende bietet dann eine etwas unentschlossene, oder offene, Alternative zwischen der Erinnerung des Entführten an seine alten Werte oder dem vorgenannten Zeigefinger. Filmisch noch sehr nah am pseudodokumentarischen Stil des Weißen Rauschens wird den Schauspielern hier oft zuviel Raum gegeben, den sie leider (noch) nicht immer füllen konnten. Dramaturgisch bietet dies hier schon weit mehr, mit seinen Irreführungen des Zuschauers vielleicht zuviel.
Zumindest mal wieder sehr gutes Verhältnis von Aufwand und Effekt, die Einsparung von Ressourcen als angewandte Systemkritik.

Weil sich keine Beschreibung fand, die den gesehenen Film beschreibt, hier dieser Double-O-Link

lr

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