Der Vorfilm war ein surreales Kammer-(und kleiner)spiel, in dem der schlimmste Alptraum eines mit Sprache und Mobiltelefon gewappneten, aber sich seit 27 Jahren den mütterlichen Uterus zu verlassen weigernden es ist doch noch in eine Welt geboren zu werden, in der zwischen Privat- und Kassenpatienten unterschieden wird. Etwas dünne Idee, die durch platte Witze: Arzt bei der Geburt: "Ja, da kommt es, ich seh schon das - Handy" nicht viel unterhaltsamer wurde.

Agnes und seine Brüder (04.10.2004)

Es gibt ja Filme die sind nur auf eine Zielgruppe hin kalkuliert, und sind dann meist vollkommene Blasen, dann gibt es Filme die müssen kalkuliert sein, weil ihre dramaturgische Statik darauf baut, und dann gibt es Filme deren offensichtliche Kalkulation nicht stört, denn wenn sie, wie hier, so mit Wahrheiten und stimmigen, wenn auch schmerzhaften, Beobachtungen gefüllt sind, dann ist es auch ok, wenn nicht nur mittels Allstarbesetzung, inklusive Cameos, eine größere Zuschauerzahl erzielt werden soll/muss. Die Schilderung der, nur oberflächlich betrachtet, ungleichen Brüder kann nämlich auch hier wieder als eine (s. La Mala Educacion) Vita betrachtet werden. Zuerst ist da der noch unerfahrene, seiner selbst viel zu unsichere und daher noch unfreiwillig in Voyeurismus und Selbstbefriedigung verbliebene, hier mittlere, Bruder, der aber, und das dreifache mehr oder weniger frohe Ende macht den Film dann zu einem modernen Märchen, durch seine Sexsucht-Gesprächsgruppe, die ja nur die Selbstreflektion filmisch bebildert, aus seiner (äußeren) Einsamkeit an unvermuteter Stelle findet. - Dann der familiär gebundene, aber an seiner (inneren) Isolation von Frau und Sohn leidende, älteste Bruder, den aber die Ruhe nach dem familiären Sturm hoffen lässt. - Und schließlich die titelgebende Agnes, die nach seiner Ehe (ich mach den Titelquatsch mal mit) und dem Wiedersehen mit dem Geliebten seine endliche Ruhe (in sich selbst) findet. So wird hier in vielfach, filmisch bedingt(?), (mir) zu starken Bildern eine Entwicklung gezeichnet, deren Beginn sich womöglich schon im 18jährigen Sohn des Ältesten der drei findet. Die Ablösung von den Eltern scheint als zentrales Motiv für die Entwicklung(smöglichkeiten) der Protagonisten zu gelten, und so wird auch die aktuelle geballte Medienpräsenz des elterlichen Kindesmissbrauchs kritisch ironisch aufgegriffen. Auch andere derzeitige Befindlichkeiten finden ihren Einzug in dieses, so dann auch als universelleres Zeitbild zu sehende, Werk. Ja, die erste Szene suggeriert sogar einen gewissen dokumentarischen Anspruch, womöglich auch dieser wieder die momentane Doku-Mode konterkarierend.
Ist der Titel mit seinem schlecht, weil eindeutigen, kalkulierten scheinbaren Grammatikfehler noch fast abschreckend, und ist die ständige Konfrontation mit noch einer celebritös und perfekt besetzten Nebenrolle fast mühsam unterhaltend, so sind doch mit der Beschreibung der äußeren (objektiven, nicht allgemeingültigen) und inneren (subjektiven) Wahrheiten zwei wichtig(st)e Wunschziele der, mehr oder weniger literarischen, Produktion erfüllt.
Verwirrend : War jetzt der Himmel über Köln doch in Berlin, oder ist die Staatsbibliothek, dank ICE-Anbindung, Arbeitsplatz vieler Kölner?

lr

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