Der Vorfilm war über FINOW, das in Berlin (noch) die Gerüstbauszene beherrscht. Der Offkommentar schilderte dann Einwohner und Gesellschaftsordnung der autonomen Waldrepublik Finow. Die Bilder dazu waren ein paar Kindergartenkinder im spätherbstlichen Umlandwald, die herzig und lustig die Schilderungen aus dem Off konterkarierten. Auch in Kapiteln unterteilt (wie Dogville, 7 Brüder und Tarantinos Werke) war das schönste eigentlich das Kapitel "Polizei": ein leere Waldweggabelung, und der Off-Kommentar wiederholte zweimal den Satz: In Finow gibt es keine Polizei. Die Finower bauen die Gerüste übrigens aus dem Boden ab und brauchen die damit verdienten Devisen für den Erwerb ihrer Lieblingsspeise: Bananen.


Die Träumer (12.01.2004)

Wieder ein Werk eines alten Regisseurs, der sich hier, nicht, wie in der Invasion der Barbaren, den eigenen Tod idealisiert, sondern die eigene Jugend erträumt. (Die Frage, wer solche Altmännerphantasien benötigt, spare ich bewusst aus, die Hinweise, dass es sich um eine solche handelt bleibe ich mE nicht schuldig).
Schön, dass Jean-Pierre Leaud, mal wieder, wenn auch nur kurz agitierend, zu sehen ist. Schön, dass alte Citroens in bestem endsechziger Zustand vorgeführt werden Schön, dass viele Szenen aus alten, meist 30er Jahre US-, Filmen (darunter auch der unvergessliche 'Freaks') zitieren, und so neue Generationen auf diese Kleinode aufmerksam machen. Aber auch ein 'I want your Sex'-Video Zitat (aber mit Sicherheit haben die auch schon bei Vorgängern geklaut) kann entdeckt werden, was die Zitiererei sympathisch ironisiert. Soweit so schön. Nun zu den Personen: Ein Backpfeifengesichtiger behauptet-amerikanischer Student lernt das (ach die so frivolen) pariser, ebenso wie er, cinephile und zu enge Geschwisterpaar kennen und lieben. Doch da geht die Altherrenphantasie los. Es scheint, als ob hier jemand noch froh ist über jeden Tabubruch, der ihm einfällt. Denn es geht los mit ins-Waschbecken-pinkeln. Hach, wie skandalös, und er zeigt es: "das wahre Leben". Dann werden uns im Laufe der Abwesenheit der Eltern der Geschwister eine verpasste sexuelle Fantasie nach der anderen, inklusive ambivalent bleibender homoertischer Neigungen, mit einer Reihe unnötig deutlicher Nudititäten aufgedrängt: Männer im Bade spiegeln ihr Geschlecht in zufälligen Spiegeln, ihre Haare über dem 4erpaar wären manches Mal für die Printmedien zu dünn, und ihr Kleid, oder Nachthemd ebenfalls, nur dass so ja nur dem nur noch Blickbegeisterten etwas geboten wird. Ist der Anblick einer schönen Frau, die nicht die Eigene ist, nicht eh immer nur wie eine Sprite Werbung, wenn man sein favorisiertes Kaltgetränk schon angesetzt hat? Also im heutigen Film als Tabubruch sehr unnötig. Mit der geigneten Rechtfertigungsstrategie unterfüttert, wie im französischen Kino der 60er, machte sie womöglich (politischen) Sinn. Aber heute ist es einfach uninteressant. Wie eine unpointierte Verfolgungsjagd oder Schlägerei. Und so vergehen die 2 Stunden in der sturmfreien Bude vor dem Hintegrundrauschen der Widerstandsbewegungen der späten 60er. Und selbst das Ende, was dann doch kein soo tragisches wird, verwirrt nur, denn als der einzig wahre Pazifist und Philanthrop entpuppt sich hier der Amerikaner. Vielleicht hat ja jemand dafür ein Erklärung. Ich blieb ratlos, ob soviel Aufwand (Kulissen, Straßen mit 60er Inventar, Kostüme, wohlselektierte Darsteller, mühsam zusammengeklaubte Rechte für all die Ausschnitte aus anderen Filmen) und sehne mich nach aufwandlosen aber unterhaltenden und an Wahrheiten erinnernde und nicht Thesen verkündende Filme.
Am Anfang, während die Titel durchlaufen, ist übrigens nicht, wie im Yorker behauptet, der Eiffelturm zerstückelt worden, sondern die Kamera fährt nur dicht an den Konstruktionsdetails des Turmes herab(!?) und die Titel verschwinden und erscheinen scheinbar hinter den einzelnen Streben und Stützen.



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