in america (01.12.2003)



Der Vorfilm (ein-blick) war eine nicht besonders interessante Studie in 24facher Geschwindigkeit (1 Bild pro sekunde, weil sonst gar nichts passiert wäre) der ostseitigen Bewegungen an der Mauer von 1986 (unweit der Sonnenallee?) im voyeuristischem Blick des Westens. Hauptsächlich wurde Wäsche auf/abgehangen, die Grenzsoldaten wurden abgelöst, auch einige Bautätigkeiten (Abbau einiger Panzersperren), und spielende Kinder. Der stilistische Clou sollten wohl die kurzen Standbilder sein, wenn ein Beobachteter die Kamera entdeckt hat. Im Prinzip die filmische Umsetzung der (auch einmal kurz im Bild befindlichen, das waren dann die einzigen Bilder der Westseite) Ausguckplattformen unweit der Mauer auf westlicher Seite, deren Sinn und Zweck in der Rückschau ja ein wenig zweifelhaft waren. Wenn auch ich natürlich immer brav mit raufgeklettert bin.

Diesen Film, Sterben in der Familie Nr. 6, verstehe ich werkimmanent nur als Selbsttherapie des Autoren, der wohl auch einen Nahestehenden verlor, und hier die aufkommenden Selbstzweifel, Vorwürfe, und Arrangements schildert.
Eine irische Familie reist illegal von Canada in die USA ein, um nach dem Tod des Sohnes dort neu zu beginnen. Die ältere (10) der beiden Töchter übernimmt mit ihrem Camcorder die Erzählrolle und stellt sich schließlich auch als Stärkste in der Familie bei der Bewältigung des Verlustes heraus. Die schäbige Wohnung und die Probleme bei des Vaters Jobsuche als Schauspieler, sind nur Kulisse für die inneren Probleme der Familie, die aber mit Hilfe eines neuen Babys und eines Nachbarn den Frieden wiederfindet.
Warum Jim Sheridan, hier Manhatten als verheißungsvollen Ort des neuen Anfangs wählt, bleibt anlässlich der wachsenden europäischen Kritik am amerikanischen Traum im Dunkeln. Denn auch wenn sein Manhatten aus Junkies und Obdachlosen und verfallenden Häusern besteht, so fehlt hier der grundsätzliche Bruch mit den amerikanischen Idealen. Alle Probleme werden schließlich gelöst, und da dies aufgrund des märchenhaften Untertones eh von Anfang an klar ist, die Erzählerin hat z. B. drei Wünsche von ihrem toten Bruder frei, fragt man sich eigentlich immer, warum sich hauptsächlich der Vater so künstlich aufregt, dem man leider den nur leidlich begabten Schauspieler nur zu gerne abnimmt, es musste halt ein Ire sein, und Daniel hatte keine Zeit (außerdem hätte dann wieder er den Oscar bekommen). Den Frauen der Familie glaubt man ihre Hoffnungen und Sorgen allerdings gerne, denn nicht nur Samantha Morton (Mutter) hat hier deutlich mehr zu zeigen als in Minority Report, auch die Schwestern stellen ihre entlastende Naivität und aufkommendes Verständnis sehr gut dar. Doch die unmotivierten Ausbrüche des Vaters und die ungeschickte willentlich ambivalente Einführung des Mateo wirkten auf das Publikum eher unfreiwillig komisch, denn dramatisch. Auch die überhöhte Zeugung des neuen Babys, mit Gewitter und unnötiger Nudity - denn Frau Morton ist keine der darstellerisch flachen Hollywoodblondinen, die nur für solche Szenen eingebaut werden - machen es schwer die zweifellos guten Anlagen in Story und Cast ausreichend anzuerkennen. Und es bleibt unklar, warum Sheridan als Ire den Amis ihren Traum am Ende kritiklos vor(/nach)betet, wahrscheinlich will er nach 13 Nominierungen endlich den Oscar.



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