Die Invasion der Barbaren (24.11.2003)



Vorfilm: Ungeschickte Umsetzung der schon nicht so prickelnden Idee, wie es wäre, wenn man nicht in der Lage ist den Homeshoppingkanal wegzuschalten. Mit einem Locked-In Patienten als Opfer der versagenden Steuertechnik entbehrt dieses Thema dann doch jeglicher Komik, es fehlte eigentlich nur noch dass der Arme mit seinem Rollstuhl irgendwo runter rollt...

Ambitioniert, nennt man es wohl, wenn mehr in einen Film gepackt wird als dieser verkraftet. Denn hier geht es nicht um nette Geschichtchen, die man beliebig aneinander reiht, damit für jeden was dabei ist, wie letzte Woche, sondern hier soll wohl ein gesamtheitliches Bild der frankokanadischen Altlinken gezeichnet werden.

Zunächst einmal: Sterben in der Familie Nummer 5. Nein, zum Schluss lebt er nicht mehr. Der todkranke, seinen Studentinnen nie abgeneigt gewesene, Professor versammelt mit Hilfe seines Sohnes, mit dem er sich natürlich erstmal versöhnen muss, seine Freunde und tritt dann mit Hilfe einer Überdosis in ihrem Kreise ab. Vorher werden so ziemlich alle Werte des linken Gedankengutes demontiert: Staatliche Krankenhäuser sind in katastrophalem Zustand, die Gewerkschaften sind arrogant und nur noch eigennützig, das einzige was da noch hilft ist der schnöde Mammon, der dem Sohn als Broker, und damit als für Linke natürlich kapitalistischen Urbösen, natürlich ausreichend zur Verfügung steht.
Doch dann geht es noch um das Resümee eines Sterbenden und auch wie sich seine Freunde im System eingenistet haben. Hier muss man wohl den 'Untergang des amerikanischen Imperiums'(den der Autor wohl durch die Bilder des 9-11 illustriert sieht) gesehen haben, da wurde diese Gruppe Linksintellektueller wohl eingeführt, hier wird nur noch (auch ironisch) zurückgeblickt und abgehakt. Und so ist es wohl auch ein Abschluss des Regisseurs, zumindest mit diesen vor 17 Jahren geschaffenen Figuren, denen er wohl so manche seiner Thesen in die Münder legt.
Damit der Kranke einen quallosen Tod hat, besorgt der Sohn (auf ärzt(freund)lichem Rat hin) ihm, mit Hilfe der Tochter einer der Freudinnen des Vaters, die es auch konsumiert, Heroin. Und mit dieser Junkie-Lektorin kommt dann noch ein Einblick in die alten Gefühle als man jung gewesen ist: Das Leben war in der Jugend nichts wert, eigentlich hat man damit schon abgeschlossen. Na mal sehn, aber der alte Effekt scheint wohl auch beim Leben zu wirken: erst mit dem (drohenden) Verlust wird es einem teuer. Schließlich kommt es natürlich noch zur kurzen Annäherung zwischen ihr und dem Sohn, der ja eigentlich schon liiert ist: Mit einer Antiquitätenspezialistin, die zwar aussieht wie ein Model, aber einem Erzbischof bei der Inspektion alter Kirchenschätze dazu verhilft, ihre Wertlosigkeit zu erkennen. Was mE als Bild für die Sicht des Sterbenden zu konstruiert ist. Am intensivsten, trotz reduzierter Farbtiefe, da über Satellit, waren noch die Videobotschaften seiner Tochter, die natürlich bedauerte auf hoher See zu sein, aber ihm dann doch bescheinigte gute Kinder geschaffen zu haben, wie auch immer. Und damit sind wir wieder bei der Reproduktion als nicht einzigen Zweck des Seins, sondern als dem Sein selbst. Und daher ist auch seine Frage nach dem Sinn ihm zwar unbeantwortet geblieben, aber nur weil er (und der Regisseur) nicht bemerkt hat, dass diese Frage aus ebengenanntem Grund keinen Sinn macht.
Ein nicht unsperriger Film für Altlinke, die Bestätigung, und somit Linderung, in der Dekonstruktion ihrer alten Werte suchen, oder ein Film der versucht den Abschluss zu zeigen der nie wirklich friedlich und fertig sein kann, oder zeigen soll, dass man, bis zum Ende, fragen, also hoffen, muss, oder der Wunschtraum des Autors? Peinlich nur die Szenen, in der die Protagonisten die platte Wendung 'je oller, desto doller' verbal illustrieren, aber vielleicht ist die aktuelle Generation nur weniger sexuell befreit als die hier porträtierten Alt68er.
Ich wusste lange nicht wo der Film hin will, aber die Fragen die die Resümees offenbarten waren es auch, dass er am Ende dann, dank des Blicks senkrecht in den Himmel durch die unwirklich im Wind wankenden Kiefernwipfel, auf der guten Seite landete.